Mit Carsharing und Vollgas in den Verkehrskollaps

Unter dem Titel „Mit Vollgas in den Verkehrskollaps“ lief am Montag, 30. Juli 2018, ein Beitrag in der ARD, in dem CarSharing eine verkehrsentlastende Wirkung abgesprochen wurde. Schlimmer noch, CarSharing trüge dazu bei, das Verkehrsaufkommen in Städten zusätzlich zu belasten. Bereits im Vorfeld gab es in den Tagesthemen einen Beitrag mit einer ähnlichen Aussage. Beide Beiträge haben zu Diskussionen auch unter den Anbietern von Carsharing geführt.

Einer der Anbieter, Cambio, kritisiert, dass den Beiträgen die positive Seite des CarSharings fehlt. Denn die Beiträge in der ARD bezogen sich nämlich nur auf die sogenannten Free Floater – Anbieter also, die ihre Fahrzeuge zusätzlich, zu den bereits vorhandenen privaten Pkw, im öffentlichen Parkraum abstellen. Dass es CarSharing aus gutem Grund bereits seit 30 Jahren in Deutschland gibt und die verkehrsentlastende Wirkung von stationsbasiertem CarSharing bereits mehrfach nachgewiesen wurde, haben die Autoren außer Acht gelassen.

Bereits 2016 hat der Bundesverband CarSharing e.V. zusammen mit infas die verkehrsentlastende Wirkung von stationsbasiertem CarSharing in 12 innerstädtischen Wohngebieten deutscher Großstädte untersucht. Es zeigte sich: Ein stationsbasiertes CarSharing-Fahrzeug ersetzt 8 bis 20 private Pkw. 78 % der Nutzer leben in Haushalten ohne eigenes Auto. In der Summe fuhren die CarSharing-Kunden mehr ÖPNV und nutzen öfter das Fahrrad als vor der CarSharing-Teilnahme.

Eine neue Studie für die Stadt Bremen kommt 2018 zu demselben Ergebnis: Die 14.000 CarSharing NutzerInnen der Hansestadt haben mehr als 5.000 Pkw abgeschafft oder gar nicht erst nicht angeschafft. Auch hier gehen die CarSharing-Kunden öfter zu Fuß, nutzen öfter das Fahrrad und fahren öfter mit dem ÖPNV, seit sie zum CarSharing angemeldet sind. Und auch in Bremen ist das CarSharing ausschließlich stationsbasiert.

Gunnar Nehrke, Geschäftsführer des Bundesverband CarSharing e.V. erklärt: „Der verkehrsentlastende Effekt des sogenannten Free Floating CarSharing wird zu Recht diskutiert. Diese Diskussion darf aber nicht dazu führen, die verkehrsentlastende Wirkung des CarSharing insgesamt infrage zu stellen. Stationsbasiertes CarSharing leistet nachgewiesenermaßen bereits seit Jahrzehnten, was es soll: Autobesitz, Autobestand und Autonutzung reduzieren.“

In Deutschland gibt es insgesamt rund 680 Orte mit einem CarSharing-Angebot. Nur sieben Großstädte werden u.a. auch von Free Floatern bedient. An allen anderen Orten ist das CarSharing stationsbasiert. Auch die Mehrzahl der CarSharing-Fahrzeuge in Deutschland – nämlich rund 11.000 von 18.000 Fahrzeugen – wird von stationsbasierten CarSharing-Anbietern zur Verfügung gestellt. Damit ist Deutschland weltweit ein Leitmarkt für das stationsbasierte CarSharing.

bcs-Geschäftsführer Nehrke: „Die mediale Aufmerksamkeit für das Free Floating lässt manchmal in Vergessenheit geraten, dass diese Variante weder von der Ausbreitung noch von der Entlastungsleistung her die Form des CarSharing ist, auf der der Schwerpunkt der Verkehrspolitik liegen sollte.“

Wenn das Thema CarSharing also im Zuge von Verkehrskonzepten und Verkehrswende diskutiert wird, darf es nicht ausschließlich um Free Floater gehen, die mit einem anderen Geschäftsmodell auf den Markt bzw. in die Städte drängen. Vielmehr muss das Augenmerk auch auf ebenjene Angebote gelenkt werden, die sich seit 30 Jahren erfolgreich in Städten etabliert haben. Nicht umsonst hat die Politik inzwischen mit dem Carsharinggesetz (CsgG) Möglichkeiten geschaffen, öffentlichen Parkraum für stationsbasiertes CarSharing zur Verfügung zu stellen. Im Gesetz sind die verkehrsentlastenden Effekte des CarSharing ausdrücklich hervorgehoben. Quelle: Cambio / bcs / DMM