Nachfolger des ICE3 noch komfortabler und effizienter

Im ICE-System verkehren 280 Hochgeschwindigkeits-Triebzüge fünf bzw. sieben verschiedener Varianten (ICE 1, ICE 2, ICE 3, ICE T und ICE 4. Die 19 ICE TD, also die Diesel-Einheiten, sind inzwischen abgestellt und suchen einen Käufer). Vom ICE 4 arbeitet Siemens zurzeit 119 Aufträge ab, 15 zwölfteilige Einheiten sind schon ausgeliefert, 12 davon im Fahrgastdienst auf den Strecken Hamburg-München bzw -Stuttgart. 100 der ICE4 werden künftig 13- statt 12-teilig geliefert, um das stark wachsende Fernverkehrsaufkommen bewältigen zu können. Und schon kündigt sich eine weitere Generation von Hochgeschwindigkeitszügen an: Der Velaro Novo.

Siemens präsentierte DMM im Werk Krefeld den Nachfolger des ICE3, den Velaro Novo, freilich zunächst nur in Skizzen und Daten. Foto: Gernot Zielonka

Dieser Super-Zug soll aber nicht vor 2023 einsatzbereit sein. Kunden gibt es aber noch keine. Siemens ist laut Siemens Mobility-Chef Michael Peter aber mit verschiedenen Kunden im Gespräch, darunter auch mit der Deutschen Bahn. Die freilich will ihre alte ICE1-Flotte (seit 1991 auf denen Schienen) noch mindestens 15 Jahre kreuz und quer durch Deutschland (und teilweise die Schweiz) auf Reisen schicken – die Modernisierung der ICE 1 von 2005 bis 2008 wurde inzwischen weitgehend abgeschlossen.

Ersetzen soll der Velaro Novo indes nicht den ICE 1 und 2, sondern den ICE 3. Die 300 km/h schnellen Züge dieser dritten Generation von ICEs, die in erster Linie auf den 300 km/h Rennstrecken der DB unterwegs sind, wurden ab 1999 nach und nach in Dienst gestellt. Sie umfasst drei Baureihen 403, 406 und 407 und ist somit relativ divers. Die 403 (50 Einheiten) sind für den Einsatz innerhalb Deutschlands bestimmt, die Baureihe 406 (13 Einheiten) wurde als mehrsystemfähige Variante für den internationalen Einsatz konzipiert und kommt mit vier europäischen Stromsystemen zurecht. Schließlich die Baureihe 407: Sie ist wie die Baureihe 406 eine mehrsystemfähige Variante, die jedoch erst ab 2013 in Betrieb genommen wurde. Die 407er werden für alle Verbindungen von und nach Frankreich eingesetzt und erreichen dort sogar bis zu 320 km/h. Teilweise wird die Baureihe 407 auch für einzelne ICE-Verbindungen im deutschen Binnenverkehr verwendet.

Erstvorstellung für DMM. In Düsseldorf und im Prüf- und Validationscenter in Wegbergg-Wildenrath westlich von Krefeld präsentierte Siemens Mobility erste Skizzen und Daten des neuen Superzugs. Dem Fachpublikum wird das neue Fahrzeugkonzept für Hochgeschwindigkeitszüge auf der InnoTrans 2018, der weltweit größten Messe für Bahntechnik. Der Velaro Novo soll Maßstäbe in puncto Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit setzen und gleichzeitig höchsten Fahrgastkomfort bieten. Siemens hat die neue Plattform für Hochgeschwindigkeitszüge für einen weltweiten Einsatz von 250 bis 360 km/h entwickelt.

Siemens hat bereits vier Generationen des Velaro entwickelt. Die Züge sind seit dem Jahr 2000 im Einsatz und derzeit in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Spanien, Frankreich, China, Russland, UK(Eurostar e320) und in der Türkei in Betrieb. Täglich legen sie mehr als 1 Mio.  Flottenkilometer zurück. In Deutschland kennt man den Velaro als ICE 3-Flogebaureihe 407 der Deutschen Bahn AG.

Im Krefelder Siemens AG Werk betonten die CEOs Siemens Mobility Sabrina Soussan und Michael Peter, der Velaro Novo sei die Antwort auf globale Anforderungen im Hochgeschwindigkeitsverkehr. Der Zug setzt die Velaro-Erfolgsgeschichte fort und ermöglicht Betreibern einen verbesserten Fahrgastkomfort und Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer. Bei 300 km/h soll der ICE 3-Nachfolger bis zu 30 % weniger Energie als bisherige Velaro-Modelle verbrauchen damit im Durchschnitt jährlich 1.375 Tonnen CO2 einsparen. Das Fahrzeuggewicht konnte dank Leichtbaukonstruktion um 15 % reduziert werden. Gleichzeitig wurde der verfügbare Platz für Passagiere (Waggons jetzt noch etwas länger) um 10 % Prozent gesteigert. Die Wagenkästen folgen dem Prinzip der leeren Röhre. Das bedeutet, dass keine festen Einbauten vorhanden sind und sich die Innenräume nach den Vorstellungen des Kunden einrichten lassen. Konfigurationsmöglichkeiten wie diese machen den Velaro Novo zukunftssicher und flexibel, noch nach Jahren im Betrieb kann er an neue Anforderungen der Betreiber angepasst werden.

Die Kosten für die Instandhaltung verringern sich dank der Integration modernster Mess- und Sensorentechnologie. Seit April 2018 erprobt Siemens Teile des neuen Hochgeschwindigkeitszugs. Der Novo-Testwagen, integriert in den ICE S der DB Systemtechnik, absolviert derzeit Testfahrten in ganz Deutschland.

Mit der Entwicklung des neuen Fahrzeugkonzepts Velaro Novo startete Siemens schon vor fünf Jahren. Ab 2023 können erste Züge im Fahrgasteinsatz sein, wenn bis dahin die Kunden gefunden sind - indes gibt sich der künftig mit Alstom fusionierte und damit größte Bahntechnikhersteller der Welt ziemlich optimistisch. Die vor dem Hintergrund, dass die Fahrgastzahlen im Fernverkehr bei allen bedeutenden Bahnverkehrsunternehmen seit Jahren steigen und demzufolge weitere superschnelle Fernverkehrszüge benötigt werden. Und die Hersteller sowie Bahnverwaltungen müssen sich natürlich einiges überlegen, stehen doch DB, ÖBB, SBB, SNCF, Trenitalie, Renfe, PKP oder auch die RZ (Russland) und andere im scharfen Wettbewerb mit dem Flugverkehr und den Fernbusanbietern. Zukunftssichere Züge mit reduzierten Lebenszykluskosten und hohem Reisekomfort sind für den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf der Schiene daher wichtiger denn je.

Innovatives Zugkonzept. Der neue Hochgeschwindigkeitszug entspricht den aktuellen Anforderungen und Normen, insbesondere der Technical Specification for Interoperability (TSI) und er vereint die Erfahrung von drei Velaro-Generationen seit dem 2005 ausgelieferten Velaro E für Spanien (AVE S103). Die weltweit über 1.000 Velaro-Züge sind bisher über 2 Mrd. km gefahren mit Geschwindigkeiten von bis zu 380 km/h, täglich kommen rund 1 Mio. km hinzu.

Der neue Triebzug basiert auf der seit dem ICE 3 bewährten verteilten Traktion, er ist als Ein- oder Zweisystemzug (15 kV / 25 kV) realisierbar und hat eine skalierbare Traktionsanlage für Höchstgeschwindigkeiten von 250 km/h bis 360 km/h. Entsprechend verfügen die Triebzüge über Antriebsleistungen von 4.700 kW bis 8.000 kW. In siebenteiliger Ausführung erreicht der Velaro Novo eine Länge von 202 m und kann sowohl in Einzel- als auch in Doppeltraktion betrieben werden. Außerdem soll eine 404 m lange 14-teilige Version zur Verfügung stehen.

Herausragende Energieeffizienz. Mit dem Velaro Novo baut Siemens auf der Velaro-Erfolgsgeschichte auf – und schreibt sie durch Innovationen im Bereich Energieeffizienz fort. Bei 300 km/h benötigt der neue Hochgeschwindigkeitszug 30 % weniger Energie als bisherige Velaro-Modelle, jährlich spart er 1.375 Tonnen CO2 ein. Eine wesentliche Voraussetzung für die erhöhte Energieeffizienz und die damit deutlich reduzierten Lebenszykluskosten ist die konsequent verbesserte Aerodynamik. Die vollverkleideten innengelagerten Drehgestelle reduzieren den Energieverbrauch um etwa 15 % und senken die Lärmemissionen. Die strömungstechnisch weiter optimierten Endwagen mit einer stärker geneigten Frontfläche tragen ebenso wie die außenhautbündigen Wagenübergänge zu (innovative Faltenbälge bis an den Wagenaußenrand) einem deutlich reduzierten Fahrwiderstand bei und verringern so den Energieverbrauch um 10 %. Auch die Hochspannungsanlage auf dem Dach einschließlich der Einholmpantografen ist vollverkleidet und trägt zu einer Verbesserung der Aerodynamik bei.

Ferner ist der Velaro Novo gegenüber den bisherigen Velaro-Generationen um über 15 % leichter. Neue Profil- und Schweißtechnologien für die Wagenkästen, massetechnisch optimierte, innengelagerte Drehgestelle, neue Bordnetzumrichter und der Einsatz innovativer Werkstoffe und Konstruktionslösungen sind nur einige der Entwicklungen, die zu einer Reduktion des Zuggewichtes um über 70 Tonnen führten. Innengelagerte Drehgestelle haben sich bei den in Großbritannien eingesetzten Desiro-City-Triebzügen bewährt und wurden für den Velaro Novo mit den Erfahrungen der Velaro-Drehgestelle kombiniert und weiterentwickelt. Die Lauf- und Antriebsdrehgestelle sind durch die innengelagerten Radsätze erheblich leichter und gewährleisten durch ihre geringere ungefederte Masse eine bessere Laufruhe und weniger Verschleiß.

Flexibles Innenraumkonzept. Die Wagenkästen des Velaro Novo sind in Leichtbaustruktur ausgeführt und folgen dem Prinzip der leeren Röhre. Das bedeutet, dass keine festen oder unverrückbaren Einbauten vorhanden sind und sich die Innenräume nach den Vorstellungen des Kunden einrichten lassen und im Lauf der Zeit geändert werden können, wenn sich die Ansprüche ändern. Die Wagen kommen ohne Untersitzcontainer oder Elektronik-Schränke im Fahrgastbereich aus. Technische Einbauten sind auf ein Minimum reduziert und werden zur Optimierung von Kabelwegen und Gewichtsersparnis funktional zugeordnet. Damit steht den Fahrgästen die maximal mögliche Kapazität zur Verfügung.

Trotz der Wagenlänge von 28,75 m, die wegen des einzuhaltenden Lichtraumprofils einen schmaleren Wagenkasten nach sich zieht, konnte gegenüber dem Velaro bei gleichem Sitzkomfort eine um 11 mm vergrößerte Gangbreite von 535 mm realisiert werden. Für den Einsatz auf Strecken mit größerem Lichtraumprofil, z.B. Russland, steht eine Variante mit breitem Wagenkasten und damit möglicher 2+3-Bestuhlung zur Verfügung. Internetversorgung, Fahrgastinformationssysteme, Bordentertainment sowie Sicherheitsüberwachungssysteme (CCTV) können den Kundenanforderungen entsprechend integriert werden. Quelle: DMM / Siemens Mobility